„Brennpunkt Westafrika“

Bernau, Olaf (2022): Brennpunkt Westafrika. Die Fluchtursachen und was Europa tun sollte, Beck-Verlag

 

Klappentext:

Die Bekämpfung von Fluchtursachen ist in Europa spätestens seit 2015 zu einer Art Mantra avanciert. Viele Politiker:innen versprechen sich davon eine deutliche Reduzierung der Ankunftszahlen afrikanischer Migrant:innen, auch in Verbindung mit einer immer stärkeren Überwachung der EU-Außengrenzen. Der Soziologe und Menschenrechtsaktivist Olaf Bernau widerspricht dieser verbreiteten Perspektive in seinem Buch vehement. Er zeigt, warum Menschen in Westafrika aufbrechen – und was die Dauerkrise dieser Region mit Europa zu tun hat. Dabei kommt auch das koloniale Erbe ausführlich zur Sprache.

Zum Titel:

„Brennpunkte“ gibt es ja sonst eher im Fernsehen und „Fluchtursachen“, die „bekämpft“ werden sollen, gibt es eigentlich nur im Sprech der EU-Politiker*innen. „Was Europa tun sollte“ – ein solcher Titel ist ambitioniert und die Politikberatung liegt Olaf Bernau nicht fern. Eine Rezensentin der SZ bemerkt zudem, „dass er manche Erklärungen anderer Experten für diverse Krisen in Afrika als Mythen abtut, nur um anzumerken, dass sie doch nicht ganz zurückzuweisen seien. Dabei bedient er sich bisweilen eines besserwisserischen Untertons“.

Dennoch sollte sich vom Titel niemand abschrecken lassen: Der Inhalt des Buchs bietet eine Fülle von Eindrücken und Beobachtungen aus Westafrika, insbesondere aus Mali, und eine Reihe von klugen Einschätzungen. Im Folgenden eine Besprechung von Christian Jakob in der TAZ.

Aus der Rezension Christian Jakob:

Der Aktivist Olaf Bernau hat mit „Brennpunkt Westafrika“ nun ein Buch vorgelegt, das Mikro-Ansichten, wie jene auf das Massaker von Ogassogu, zu einer bemerkenswert erhellenden Regionalanalyse verschränkt. Der Dschihad ist darin nur eine Facette. Optimistisch ist Bernaus Befund nicht –„Vielfachkrise“ und „Dauerkrise“, mit diesen Vokabeln beschreibt er die Region: In der Krise seien der Territorialstaat, der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Ökonomie, die Landwirtschaft, das Klima. Die Ursachen dafür reichen lange zurück, die Folge ist ein Gefühl tiefer Perspektivlosigkeit, vor allem bei jungen Menschen. Viele von ihnen drängt es in die irreguläre Migration und nicht wenige in den Dschihad.

Bernau schöpft seine Ansichten aus der Arbeit in einem Netzwerk, das er selbst vor gut zehn Jahren mitgegründet hat: Afrique-Europe-Interact (AEI), ein Zusammenschluss politischer Initiativen und sozialer Basisgruppen in Europa und Westafrika. Ihre Themen: Migration und gerechte Entwicklung, kondensiert in der Forderung auf ein „Recht zu gehen und ein Recht zu bleiben“. Was diesem „Recht zu bleiben“, der Aussicht auf ein würdiges, nicht von Not gezeichnetes Leben entgegensteht, sind „Fluchtursachen“. Von diesen handelt das Buch, und von Europas Verantwortung für diese.

Über Jahre hat Bernau Kleinbauern in ihren Kämpfe begleitet, er macht greifbar, wie diese versuchen, der Klimakrise zu trotzen, und sich dabei auch gegen eine europäische Agrarindustrie behaupten müssen. Er konturiert die neuen Konjunkturen des Antikolonialismus. Vor allem aber spürt er den Hypotheken nach, die die europäischen Herrscher hinterließen und die Dekolonisierung vielerorts bis heute unvollständig lassen.

Und so liege der Schlüssel, der aus den regionalen Dynamiken angestauten „Vielfachkrise“ zu begegnen, auch in Europa: Es müsse das begangene Unrecht anerkennen und das Verhältnis zu Afrika auf dieser Grundlage neu konstituieren. Nur so, darauf läuft Bernaus Analyse hinaus, könne es den notwendigen Beitrag dazu leisten, Westafrikas Jugend Hoffnung zurück zu geben.

 

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Author(s): Bernau, Olaf

Full Title: Brennpunkt Westafrika. Die Fluchtursachen und was Europa tun sollte

Publisher or Journal: C.H.Beck

Year of Publication: 2022

Document Type: Book

Link: https://www.chbeck.de/bernau-brennpunkt-westafrika/product/33245328

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