Alarmstufe Rot in Tunesien
Mai 1st, 2025
Bulldozer, Feuer und jetzt wieder IOM-Flüchtlingslager?
Der Text wurde auf Englisch in Echoes # 17 veröffentlicht.

Nach der Räumung eines Lagers am 24. April, aufgenommen von einer betroffenen Person
Laut der Europäischen Kommission, der Regierung Meloni und der künftigen deutschen Regierung ist Tunesien ein sicheres Land. Allerdings schlägt Tunesien derzeit ein neues Kapitel im Krieg der EU gegen afrikanische Migrant:innen auf. Die provisorischen Lager dieser Menschen werden mit Bulldozern und Feuer zerstört. 30.000 Menschen verlieren ihre letzten Lebensgrundlagen. Hunderte versammeln sich vor den regionalen IOM-Büros und in Tunis, um sich "freiwillig" rückführen zu lassen. Das tunesische Militär und die IOM errichten, so heißt es, neue, mit Zäunen umgebene Lager in der Wüste und an der algerischen Grenze.
Echoes und Migration-Control-Info haben wiederholt über die Entwicklungen in Tunesien berichtet, nach der rassistischen Rede von Präsident Saied und dem EU-Tunesien-Deal im Jahr 2023 sowie den illegalen Massenabschiebungen und der Aussetzung afrikanischer Migranten in der Wüste. Schwarze Afrikaner:innen wurden aus Städten wie Tunis und Sfax vertrieben und fanden Zuflucht in provisorischen Lagern unter Olivenbäumen entlang der Hauptstraße, die von Sfax nach Norden führt. Die Lager befanden sich zwischen Kilometer 10 und 40, in der Nähe der kleineren Städte El Amra und Jebiniana. Im Laufe der Zeit entstanden in diesen Lagern einige selbstorganisierte Strukturen zum Überleben, wie Badezelte, Kliniken, Kochzelte, ein Moscheebereich, Bildungsstätten für Kinder, einige Sportanlagen und sogar ein Gericht zur Schlichtung von Streitigkeiten. Insgesamt wurden 36 Lager gezählt: 19 in Al-Amra (zwischen Kilometer 20 und 30) und 17 in Jebiniana (zwischen Kilometer 31 und 40).
Die Situation in den Lagern wurde jedoch zunehmend schlimmer - vor allem, weil die Überfahrt nach Lampeduza immer gefährlicher und komplizierter wurde. Die grausame Effizienz der mit EU-Mitteln ausgestatteten tunesischen Küstenwache, die von FRONTEX-Drohnen unterstützt wird, führte dazu, dass die Menschen auf der Flucht in Tunesien unter entsetzlichen Bedingungen gestrandet sind. Auch die Armut der verschiedenen Gemeinschaften nahm zu: Migranten aus westafrikanischen Krisenregionen konnten von ihren Familien nicht mehr unterstützt werden, und Migranten aus den Flüchtlingslagern in Darfur und im Tschad hatten ohnehin kein Geld. Die Suche nach Mitteln zum Überleben führte zu Problemen mit der einheimischen Bevölkerung und nährte rassistische Vorurteile.
Le Monde schrieb am 19.04.25:
Es ist fast unmöglich geworden, die italienische Insel Lampedusa von den Stränden von Chebba oder Salakta aus zu erreichen. Seit dem 1. Januar haben es nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) nur 432 Migranten an Bord von Behelfsbooten geschafft, die Insel zu erreichen. Im gleichen Zeitraum vor zwei Jahren waren es noch mehr als 18.000.

Nach der Räumung: Video auf Facebook, Imed Soltani
Am 3. April erklärte der Sprecher der tunesischen Nationalgarde, Houssem El Din Jebabli, dass die Lager aufgelöst würden. Die Räumungsaktionen in der sogenannten Olivenhain-Region dauern nun schon seit Wochen an. Die Nationalgarde kündigte an, dass alle Personen, die keine Rückführung durch die IOM beantragen, in der Wüste ausgesetzt würden.
Über die aktuelle Lage berichteten Nawaat sowie Mirco Keilberth in ND 09.04.25 und ND 14.04.25 sowie Le Monde 19.04.25.
Die Flüchtlinge versuchen, sich tiefer in den Olivenplantagen zu verstecken, und viele von ihnen sind an andere Orte gezogen. Hunderte versammeln sich vor den Büros der IOM. Die IOM sagt, sie könne derzeit keine Rückführung organisieren, aber es gibt Gerüchte über ein neues IOM-Lager, das westlich von Beja in einem Tal mit steilen Berghängen an der Grenze zu Algerien errichtet werden soll, sodass die tunesischen Grenzsoldaten nur eine Seite des Tals bewachen müssten. Außerdem gibt es Informationen, dass das tunesische Militär ein militarisiertes Internierungslager in der Wüste von Remada eröffnen will, in einem militärischen Sperrgebiet, in dem afrikanische Migranten konzentriert werden sollen.
Die Regierung Meloni hat kürzlich 20 Millionen Euro für den Umgang mit den Migranten bereitgestellt, und es scheint, dass dieses Geld nicht für Rückführungen, sondern für Internierungslager verwendet wird.
Erinnern wir uns an Choucha! Die IOM ist wieder im Spiel.

Video: Refugees in Libya 08.04.25
Update 29.04.25
Die Polizei hat inzwischen erklärt, nur die größeren Camps auf Privatgelände räumen zu wollen. Weiterhin versuchen viele Menschen, entlang der Eisenbahnschienen zu Fuß nach Tunis zu gelangen. Bei Km 10 hat sich zwischen Sidi Mansour und Hagouna ein neues Camp auf Staatsland gebildet, das von den Behörden offenbar geduldet wird.
In allen größeren Lagern herrschen Chaos und zunehmende Gewalt. Einige kleinere Lager werden geduldet - dort, wo die Männer einen Job in der Landwirtschaft gefunden haben.
Von den Straßen und Märkten halten sich Schwarze Afrikaner:innen fern. Nur in kleinen Gruppen bieten sie ihre Arbeitskraft an.
Am 28.04. ereignete sich vor der tunesischen Küste ein großes Schiffsunglück. Acht Personen starben bei dem Versuch, den Tunesischen Verhältnissen zu entfliehen. InfoMigrants schrieb am 28.04.25:
Die Dramen vor der tunesischen Küste reihen sich aneinander. Am Montag, den 28. April, teilte ein Sprecher der tunesischen Nationalgarde der Nachrichtenagentur AFP mit, dass acht Migranten nach dem Untergang ihres Bootes vor der Küste von El Aouabed in der Nähe der Großstadt Sfax im mittleren Osten des Landes tot aufgefunden worden waren. Der Schiffbruch hatte sich am Sonntagmorgen ereignet und 29 Menschen konnten gerettet werden. Laut dem Sprecher Houcem Eddine Jebabli waren alle Schiffbrüchigen Ausländer verschiedener Nationalitäten, darunter auch Personen aus Subsahara-Afrika.
Was geschah mit den Geretteten?
DasAlarm Phone meldet am 01.05.:
Wir mussten erfahren, dass die Gruppe in Not, über die wir die Behörden alarmiert hatten, Schiffbruch erlitten hatte. Nur wenige Menschen haben überlebt, sie wurden sofort in die Wüste deportiert. Sie versuchten, vor der unerträglichen Situation in #Tunesien zu fliehen.
Black Lives Matter, überall!