Tschad

Veröffentlicht Mai 28th, 2021 - von: Helga Dickow; Magdalena Maier, Malte Jursch

Basisdaten und kurze Charakterisierung

Das Binnenland Tschad hat gemeinsame Grenzen mit Libyen, Niger, Nigeria, Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und dem Sudan. Der Tschad unterhält enge Beziehungen mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich (Unabhängigkeit am 11. August 1960). Die 2019 auf knapp 16 Millionen geschätzten Einwohner*innen leben mehrheitlich in den südlichen Regionen des Landes und in der Hauptstadt N’Djamena. Die Bevölkerung unterteilt sich in circa 200 ethnische Gruppen mit verschiedenen Sprachen und mit traditionell unterschiedlichen Lebensweisen (Pastoralismus/Transhumanz, Ackerbau, Handwerk). Amtssprachen sind Französisch und Tschad-Arabisch. Der Tschad ist gemäß seiner Verfassung ein laizistischer Staat. Ungefähr 60% der Bevölkerung bekennen sich zum Islam und 40% zum Christentum.

Ökonomie und Regierung

Im Tschad fand noch nie ein friedlicher Machtwechsel statt. Präsident Idriss Déby Itno (im August 2020 ließ er sich noch den Zusatz Marschall verleihen) stürzte 1990 seinen ehemaligen Armeechef und damaligen Präsidenten Hissène Habré und hielt sich seitdem an der Macht. Habré wurde 2017 im Senegal wegen der Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen während seiner Herrschaft zu lebenslanger Haft verurteilt, seine Opfer bislang aber noch nicht entschädigt. Zu Beginn richteten sich große Hoffnungen auf Déby: Er versprach Demokratisierung und eine Öffnung des Landes, ließ politische Parteien zu, die ersten Wahlen fanden 1996 statt. Wie alle nachfolgenden Wahlen wurden sie von Déby - die Parlamentswahlen von seiner aus der Rebellenbewegung hervorgegangenen Partei Mouvement Patriotique du Salut (MPS) - gewonnen. Fälschungsvorwürfe begleiteten allerdings alle Wahlen. Inzwischen saß Déby so fest im Sattel, dass die Manipulation der Wahlbehörden und die Unterdrückung der Opposition im Vorfeld schon zum Gewinn der Stimmen am Wahltag ausreichten. Mehrere Verfassungsänderungen (2005 und 2018) hätten ihm nun mit seiner Wiederwahl am 11. April 2021 ein sechstes Mandat ermöglicht und eine mögliche Amtszeit bis 2034. Aber am 20. April 2021 gab ein von seinem Sohn Mahamat Idriss Déby angeführter militärischer Übergangsrat (Conseil militaire de transition, CMT) völlig überraschend den Tod von Idriss Déby bekannt. Er sei bei einem Angriff einer tschadischen Rebellenallianz (Front pour l’alternance et la concorde au Tchad), die sich unter der Leitung von Mahamat Mahadi Ali seit dem Wahltag in Richtung N’Djamena vorwärtsbewegte, ums Leben gekommen. Der Übergangsrat baut auf die Militär- und Machtstrukturen der Regierung Déby auf. Trotz Versprechen auf demokratische Wahlen nach einer Übergangsperiode von 18 Monaten (einmal verlängerbar), scheint ein demokratischer Wandel nicht das vorrangige Ziel des Übergangsrats zu sein, sondern die Kontinuität der Herrschaft des Zaghawa-Clans um den alten und neuen Déby. Nach den Trauerfeierlichkeiten fanden seit Ende April 2021 wiederholt in allen Städten des Tschad Demonstrationen gegen die neuen Machthaber und die Kontinuität der Zaghawa statt. Militär und Polizei schoss auf die Zivilist*innen, es gab viele Tote.

Seit 2003 wird im Tschad Erdöl gefördert. Die damit einhergehende Hoffnung der Bevölkerung auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen erfüllte sich allerdings nicht. Nur die Machtelite um den Präsidenten profitierte von den Öleinnahmen und steckte viel in die eigenen Taschen, in Immobilien und auf Konten im Ausland. Déby nutzte die Einnahmen aber auch zur Machtsicherung, indem er den Sicherheitsapparat ausbaute und politische Gegner durch finanzielle Anreize einband. Der Tschad gehört laut Transparency International zu den korruptesten Staaten weltweit. Nennenswerte Industrie ist nicht vorhanden, der Großteil der Bevölkerung lebt von der Subsistenzlandwirtschaft und von Viehzucht. Baumwolle und Lebendvieh sind nach Öl die wichtigsten Exportgüter des Tschad. Neben den bald erschöpften Erdölvorkommen im Süden des Landes befinden sich im Norden Goldvorkommen, die bisher nicht professionell exploriert werden.

Der Tschad wird bei allen Indizes – von politischen Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit, Korruption bis hin zu Armut – auf den untersten Rängen aufgeführt. Der Freedom House Report 2020 bezeichnet den Tschad als „not free“ und listet ihn auf den 17. Platz, der Human Development Index 2020 auf den drittletzten Rang. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Das Vorrücken islamistisch-terroristischer Gruppierungen in der Region und im Sahel nutzte Déby, sich mittels seiner gut gerüsteten Armee als unerlässlicher Verbündeter im Kampf gegen den islamistischen Terror zu etablieren. Dafür erhielt er internationale und regionale Anerkennung insbesondere von Frankreich und den Staatschefs der restlichen G5 Staaten Burkina Faso, Mali, Mauretanien und Niger. Tschadische Militärs stellen in der MINUSMA und der Gemeinsamen Eingreiftruppe der G5 Sahel jeweils das größte Kontingent.

Der Tschad hat die UN Migrant Workers Convention 2012 unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Das erste Asylgesetz des Tschad wurde im Dezember 2020 verabschiedet.

Migrationsbewegungen

Unterschiedliche Formen von Migration existieren im Tschad: Wanderbewegungen (Transhumanz) im Inneren sowie über Staatsgrenzen hinweg. Das Land ist Zielland für Flüchtlinge und Flüchtende aus den Nachbarstaaten. Tschader*innen wiederum fliehen und migrieren in Nachbarländer und in geringerer Zahl in Richtung Europa und Kanada.

Migration von Tschader*innen

Transhumanz als Form der Binnenmigration hat eine Jahrhunderte lange Tradition im gesamten Sahel und somit auch im Tschad. In der Vergangenheit zogen nomadisch geprägte ethnische Gruppen auf festen Routen während der Trockenheit vom Norden in den Süden. Die Wanderwege waren auf die Bedürfnisse ihrer Tiere nach Wasser und bestimmten Pflanzen sowie auf die Ernte- und Saatzeiten der vom Ackerbau lebenden Bevölkerung abgestimmt. Unterschiedliche Ethnien folgten unterschiedlichen Routen, je nachdem ob sie Kamele, Rinder oder Schafe und Ziegen besaßen. Bürgerkriege, Klimawandel und Reichtum der neuen Machtelite brachten das fragile Gleichgewicht zwischen Pastoralist*innen und der Bevölkerung in den Dörfern, die von der Landwirtschaft lebt, ins Wanken. Viehherden ziehen nun immer früher – häufig vor der Ernte – in den Süden. Mitglieder des Machtzirkels investieren in Rinderherden, die nun gedungene Viehhirten begleiten. Regelmäßig werden noch nicht abgeerntete Felder von den Herden abgeweidet und damit Lebensgrundlagen ganzer Dörfer für das Folgejahr zerstört. Dies führt immer häufiger zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Ackerbauern und Viehhirten und -züchtern. Gerichtliche Auseinandersetzungen verlieren die Dorfbewohner*innen, da ihnen die politische Unterstützung fehlt.

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Transhumance. Photo: Helga Dickow, 2013

Im Vergleich zu anderen Staaten, wie etwa Burkina Faso, wo saisonale Arbeitsmigration seit jeher ökonomisch und kulturell wichtig ist, spielt traditionell Migration vom Tschad in die Nachbarstaaten keine wirtschaftlich bedeutende Rolle mit der Ausnahme Libyens. Libyen war bis zum Sturz Gaddafis das Zielland für tschadische Arbeitsmigrant*innen. Die Präsenz von Tschader*innen in den Nachbarländern spiegelt vielmehr verschiedene Wellen politischer Unruhen und Rebellionen im Tschad wider, vor denen die Menschen zu verschiedenen Zeitpunkten geflohen sind. Nicht alle kehrten im Anschluss zurück. Laut Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) lebten im August 2019 circa 337.000 Tschader*innen in den Nachbarstaaten, davon knapp 200.000 im Sudan, 1.000 in Libyen, 1.500 im Niger, 12.000 in Nigeria, 96.000 in Kamerun und 10.000 in der Zentralafrikanischen Republik. Wegen der engen wirtschaftlichen, kulturellen (Bildungsbereich) sowie familiären Beziehungen zur ehemaligen Kolonialmacht ist Frankreich ebenfalls ein Zielland. Viele Mitglieder der politischen und wirtschaftlichen Elite haben neben der tschadischen auch die französische Staatsangehörigkeit, wie zum Beispiel die Frau von Präsident Déby, Hinda Déby, und einige Kinder des Präsidenten. Auch wohlhabende Geschäftsleute und Intellektuelle pendeln zwischen beiden Ländern. Frankreich gewährte in der Vergangenheit einigen Oppositionellen und Regimekritiker*innen des Déby-Regimes Asyl. Die Zahl der in Frankreich lebenden Tschader*innen ist nach Angaben der französischen Volkszählung von 2020 von 2.400 im Jahr 2007 auf 4.300 im Jahr 2017 gestiegen. (Zum Vergleich: 6.900 Nigrer*innen und 56.800 Kameruner*innen waren 2017 in Frankreich gemeldet.)

Umfragen der IOM bestätigen diesen Trend zu geringen Migrationszahlen im Vergleich zu den Nachbarländern in der Region. Unter den Menschen, die derzeit versuchen, nach Europa zu gelangen, sind tschadische Migrant*innen bei weitem in der Minderzahl.

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Zielland

Seit der Darfur-Krise zu Beginn der 2000er Jahre beherbergt der Tschad alle Kategorien von Flüchtlingen. Im Osten entlang der Grenze zum Sudan leben in Lagern Flüchtlinge aus dem Sudan. Menschen auf der Flucht vor Boko Haram leben in Lagern in der Tschadseeregion. Sie kommen zum Großteil aus Nigeria, Niger und Kamerun. In beiden Fällen sind aber auch Internally Displaced Persons, also Tschader*innen, in Lagern in Osten und im Westen angesiedelt, die vor der Gewalt und Terrorismus fliehen mussten. Allen gemein ist die große Armut und Not. Beachtlich ist aber auch die Solidarität der tschadischen lokalen Bevölkerung, die ja selbst von der Subsistenzwirtschaft lebt. Im Westen und Süden des Landes sind immer wieder Dorfgemeinschaften anzutreffen, die einen Teil ihrer Felder Flüchtlingen zum Anbau von Nahrungsmitteln zeitweise überlassen haben. Anders sieht es in der Region des Tschadsees auf tschadischer Seite aus, wo die lokale Bevölkerung selbst unter Klimawandel und Vertreibung durch Boko Haram oder dem tschadischen Militär leidet, da in der Region der Ausnahmezustand verhängt wurde.

Flüchtlingslager, internationale Unterstützung

Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2013 in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) suchten immer mehr Menschen Schutz im Süden des Tschad. Die ersten waren Nachfahren von seit Generationen in der ZAR ansässigen Tschader*innen, oft Händler*innen oder Nomad*innen. In der Regel sind sie muslimischen Glaubens. Zu Beginn des Bürgerkrieges wurde ein Teil von ihnen vom tschadischen Militär „heimgeholt“. Ungefähr 100.000 Personen konnten mit Unterstützung der lokalen Bevölkerung in den Herkunftsregionen ihrer Vorfahren integriert werden. Andere haben gar keinen Bezug zur Heimat ihrer Vorfahren, sie sprechen nur Sango und leben in Lagern, für die der Tschad zuständig ist. Schließlich gelten sie als Tschader*innen und erhalten keinen Status als Flüchtlinge. Unterstützung im vom UNHCR und anderen internationalen Organisationen verwalteten Lagern erhalten nur die Menschen aus der ZAR, die keine tschadischen Vorfahren haben. Unter ihnen sind viele Peul. Ausbrüche von Gewalt in der ZAR sind seitdem von Fluchtbewegungen in den Tschad und die Nachbarländer begleitet.

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Food distribution for refugees. Photo: Helga Dickow, 2011

Projekte der EU

Im Rahmen der Entwicklungskooperation mit dem Tschad liegt der Schwerpunkt der EU in den Bereichen Verbesserung der Governance, Infrastruktur und nachhaltiger Entwicklung. Im Rahmen des Europäischen Entwicklungsfonds (2014 – 2020) belief sich die Unterstützung auf 552 Millionen Euro. Migrationskontrolle bildet nicht den Schwerpunkt der Zusammenarbeit, er lag auf dem Ausbau der Infrastruktur. Verschiedene Fördertöpfe berühren dennoch die Themen Migration im Sahel und in der grenzübergreifenden Region des Tschadseebeckens sowie Unterstützung von Flüchtlingen und Rückkehrer*innen aus den Nachbarstaaten des Tschad. Hier sind die wichtigsten:

Der nach dem Gipfeltreffen zu Migrationsfragen in Valetta 2015 geschaffene EU Emergency Trust Fund (EUTF) sieht für den Tschad ein Budget von 170,7 Millionen Euro vor. Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der Flüchtlinge, Rückkehrer*innen und der Gemeinden der Aufnahmeregionen in der Tschadseeregion, im Osten und Süden des Landes – das heißt in den Grenzregionen zum Sudan und der ZAR. Sieben nationale Projekte werden in Zusammenarbeit mit Oxfam, der GIZ, UNHCR und anderen gefördert. Bei den meisten von ihnen geht es um die Stärkung der Resilienz, was sich auch in der finanziellen Verteilung zeigt: 2020 wurden 80 Millionen Euro zur Stärkung der Resilienz, 20 Millionen Euro im Bereich Governance und 10 Millionen Euro im Bereich Beschäftigung zur Verfügung gestellt. Das von Macron 2017 dem Tschad zugesagte vorgelagerte Asylzentrum für Migrant*innen, die in Frankreich Asyl beantragen wollen, wurde nie realisiert.

Im Rahmen der regionalen Projekte des EUTF wurde der Tschad ebenfalls gefördert – allerdings nur mit kleineren Budgets. Projekte wurden von IOM[1] zu Migrationsgovernance und Integration von Rückkehrer*innen bis hin zur Stärkung der Nationalen Sicherheitseinheiten zur Kontrolle des staatlichen Territoriums und der Grenzen durch die EU-Delegation im Tschad durchgeführt.

Von denen im November 2020 im Rahmen des EUTF fünf neu angekündigten Programmen wird der Tschad nur im Projekt „Radio Jeunesse Sahel“ erwähnt, das das zweitniedrigste Budget erhält.

Im Bereich der humanitären Hilfe (ECHO) hat die EU 2020 30,6 Millionen Euro für Geflüchtete, Binnenvertriebene und Aufnahmegemeinden sowie zur Integration von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.[2]

Der Tschad gehört zu den Empfängerländern im Rahmen der Frontex Africa Intelligence Community. Für 31 Länder beträgt das Budget (2017-2020) allerdings nur 4 Millionen Euro.

Im Rahmen der EU Partnerschaft mit den G5 Sahel-Staaten, die politische Partnerschaft, Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Stabilität sowie Entwicklungskooperation vorsieht, wurden 2018 dem Tschad 66,7 Millionen Euro für humanitäre Hilfe für forced displacement bereitgestellt. Die im Zusammenhang mit der G5 im Juli 2017 ins Leben gerufene Sahel Alliance soll der Instabilität im Sahel durch nachhaltige Entwicklung entgegen wirken. Die für den Tschad unter der Sahel Allianz aufgelisteten relevanten Projekte sind die des EUFT.

Der Tschad ist gemeinsam mit Algerien, Burkina Faso, Kamerun, Libyen, Mali, Mauretanien, Marokko, Niger, Nigeria, Senegal, und Tunesien Teil der US-amerikanischen Partnerschaft Trans-Sahara Counterterrorism Partnership zur Terrorismusbekämpfung. Ausrüstungshilfen und jährliche gemeinsame Manöver der Partnerstaaten sind Bestandteil der Partnerschaft. Die Summierung der US-Gelder für den Tschad belief sich im Jahr 2019 auf ungefähr 48 Millionen US-Dollar.

Projekte im Bereich der Transhumanz werden von verschiedensten Gebern finanziert. Dabei geht es auch um das Thema Konfliktvermeidung zwischen sesshafter und nomadischer Bevölkerung und Verbesserung der Lebensbedingungen. Derzeit führt die französische Entwicklungskooperation im Auftrag der EU das Projekt PASTOR im Umfang von 28 Millionen Euro durch.

Die GIZ führte im Auftrag des Auswärtigen Amtes von 2013 bis 2019 ein Projekt zur Unterstützung der Polizeireform im Tschad durch, bei dem die Kapazitäten der tschadischen Polizei in den Bereichen Grenzsicherung und Kriminalitätsbekämpfung gestärkt werden sollten.[3]

Es besteht kein Rücknahmeabkommen zwischen Deutschland und dem Tschad.

Welche Rolle spielen (welche) NGOs?

Wie überall spielt IOM eine zentrale Rolle im Migrationsbereich. Neben Projekten im Auftrag verschiedener Geberorganisationen führt IOM auch Monitoring über die Zahl der Migrant*innen in entlegenen Durchgangsregionen, wie dem Tibesti, und an Grenzübergängen durch. Des Weiteren sind UNHCR[4] und andere humanitäre Organisationen (z.B. CARE) sowie christliche und islamische Hilfsorganisationen (Caritas, Catholic Refugee Service, Islamic Relief Worldwide etc.) in Lagern in den Grenzregionen aktiv. Tschadische NGOs spielen eine geringe Rolle. Vereinzelt leisten islamische NGOs in den Lagern an der Grenze zur ZAR humanitäre Unterstützung.

Auf tschadischer Seite sind Menschenrechtsorganisationen in den Themenfeldern Konfliktmediation zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen (intercommunautaires) und der Rechtsaufklärung (auch für Migrant*innen) aktiv. Hier sind zu erwähnen: Association pour la Promotion des Libertés Fondamentales (APLFT), Associations des Femmes Juristes du Tchad (AFJT), Cellule de Liaison et d’Information sur e les Activités des Associations Féminines (CELIAF), Association Tchadienne pour la Promotion des Droits de l’Homme (ATPDH) und Ligue Tchadienne des Droits de l’Homme (LTDH).

Wirtschaftliche Interessen? Wer profitiert?

Ziel des langjährigen Präsidenten Idriss Déby Itno war die Sicherung seiner Herrschaft. Mit Hilfe der Einnahmen aus der Erdölförderung konnte er seit Anfang der 2000er Jahre die dazu notwendige militärische Aufrüstung erfolgreich vorantreiben. Unterstützung und Training im Rahmen der oben genannten Projekte spielten daher eine geringere Rolle, wohl aber die logistische Unterstützung durch die französische Militärpräsenz im Rahmen verschiedener Missionen. Frankreich unterhält permanente Basen in N’Djamena, Faya und Abéché.

Wer verliert?

Konflikte um Land, Wasser und andere Ressourcen führen regelmäßig zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Die lokale Bevölkerung des Südens ist hierbei die Verliererin, da Viehherden oft die Ernten eines ganzen Jahres abweiden und ihnen ihre Lebensgrundlage entziehen. Nicht nur der Klimawandel treibt die Herden vor der Ernte in den Süden. Inzwischen sind große Herden in Besitz der politischen Elite in N’Djamena. Die Bäuerinnen und Bauern haben daher auch so gut wie keinen Erfolg bei gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Welchen Widerstand gibt es?

Die Tschader*innen sind mit dem täglichen Überlebenskampf beschäftigt. Es gibt keinen nennenswerten Widerstand mit Ausnahme von einigen NGOs, die in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung die Konflikte zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen bearbeiten.[5]

Migrationsstatistik

Zahl der tschadischen Migrant*innen weltweit 2013 403.900

Top Zielländer 2013: Kamerun, Sudan, ZAR, Nigeria, Saudi-Arabien, Republik Kongo, Frankreich, Vereinigte Arabische Emirate, Südsudan, Gabun[6]

2019 206.400

Sudan (91.890); Nigeria (30.568); Kamerun (24.318); CAR (11.141); Republik Kongo (10.889)[7]

2020 222.300[8] Internally Displaced Persons (IDPs) im Tschad 2019 176.000 (davon 58.000 in 2019)[9] Migrant*innen im Tschad 2019 512.230(Herkunftsländer: Sudan (354.817); ZAR (96.813); Kamerun (33.936); Niger (3.416); Nigeria (3.265)[10]  2020 547.500[11] Tschader*innen in Deutschland 2019 784[12] Asylbewerber*innen aus dem Tschad in der EU 2018 1.115   2019 1.420   2020 1.125 (davon 965 in Frankreich und 50 in Deutschland)[13]

Das Beitragsbild wurde 2013 von Helga Dickow aufgenommen.

Materialien und Quellen

Brachet, Julien und Scheele, Judith (2019): The Value of Disorder. Autonomy, Prosperity, and Plunder in the Chadian Sahara, Cambridge: Cambridge University Press.

Chapelle, Jean (1986): Peuple tchadien, ses racines et sa vie quotidienne, Paris: L’Harmattan.

Chapelle, Jean (1982): Nomades noirs du Sahara. Les Toubous, Neuauflage von 1957, Paris: L’Harmattan.

Debos, Marielle (2013): Le métier des armes au Tchad. Le gouvernement de l’entre-guerres, Paris: Karthala.

Dickow, Helga (2005): Democrats without Democracy? Attitudes and opinions on society, religion and politics in Chad. Byblos: Centre Internationale des Sciences de l’Homme.

International Crisis Group: https://www.crisisgroup.org/africa/central-africa/chad.

Gatta, Gali Ngothé (1985): Tchad. Guerre civile et désagrégation de l’Etat. Paris: Présence Africaine.

Ligue Tchadien des Droits de l’Homme (LTDH) (2021): La migration au Tchad, enjeux et défis pour la protection des droits de l’homme, N’Djamena, i.E.

Magrin Géraud (2001): Le sud du Tchad en mutation, des champs de coton aux sirènes de l’or noir, Saint-Maur-des-Fossées: Cirad et Sépia.

Tubiana, Jérôme und Debos, Marielle (2017): Déby’s Chad. Political Manipulation at Home, Military Intervention Abroad, Challenging Times Ahead. Institute for Security Studies, United States Institute of Peace: Washington.

Wiese, Martin (2004): Health-vulnerability in a complex crisis situation. Implications for providing health care to monadic people in Chad, Verlag für Entwicklungspolitik: Saarbrücken.

Footnotes

  1. https://eutf.akvoapp.org/en/project/5913/#summary.

  2. https://ec.europa.eu/echo/where/africa/chad_en.

  3. https://www.giz.de/de/downloads/giz2017-factsheet-tschad-d.pdf.

  4. https://www.unhcr.org/chad.html.

  5. https://www.peaceinsight.org/ar/organisations/association-ngaoubourandi/?location=chad&theme.

  6. World Bank: Migration and Remittances Factbook 2016 Third Edition, 94.

  7. United Nations Population Division, Department of Economic and Social Affairs: Workbook: UN Migrant Stock by Origin and Destination 2019. https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/data/estimates2/estimates19.asp.

  8. IOM Migration Data Portal. https://migrationdataportal.org/?i=stock_abs_origin&t=2020&cm49=148 und United Nations Population Division. International Migrant Stock. https://www.un.org/development/desa/pd/content/international-migrant-stock.

  9. Internal Displacement Monitoring Centre: Chad – Displacement associated with Conflict and Violence Figure Analysis – GRID 2020, 1.

  10. United Nations Population Division, Department of Economic and Social Affairs: Workbook: UN Migrant Stock by Origin and Destination 2019. https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/data/estimates2/estimates19.asp.

  11. IOM Migration Data Portal. https://migrationdataportal.org/?i=stock_abs_origin&t=2020&cm49=148 und United Nations Population Division. International Migrant Stock. https://www.un.org/development/desa/pd/content/international-migrant-stock.

  12. EUROSTAT: https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do.

  13. EUROSTAT: https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do.

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